Nordtürkei, dein Fisch hat es Faust dicke hinter den Kiemen.
Es regnet auf den Strand in Ureki und ich scrolle meine Handyfotos durch. Bis jetzt dachte ich, dass ich für einen Beitrag über die Türkei nicht viel finden werde. Also lasse ich es lieber sein. Doch die Bilder werden wieder lebendig und ich muss es tun.
Die Türkei kenne ich nur aus den Flyern unzähliger Reisebüros oder Facebook-Posts von Freunden und Bekannten. Ich stellte mir immer die vollen Strände, die Lederjackenmärkte und das blaue Meer vor. Wie die Nordtürkei aussehen könnte, war mir ein Rätsel.
Du hast nur eine Chance für den ersten Eindruck, heisst es doch. Mich hat die Einfahrt über eine breite, saubere, jedoch leere Strasse begeistert und so war ich auf der türkischen Seite angekommen. Auch Hâusi brummt zufrieden und das Inventar hat nach der Panzerpiste Bulgariens seinen Platz wiedergefunden. Nachdem sich unser 6-Meter-Zuhause erfolgreich durch die schmalen Gassen Malko Tarnovos geschlängelt hat, Gerold für 1.50 CHF seinen Bart beim Barber loswurde und die lokale Internetkarte im «Kasten» liegt, steuern wir die Küste an. Ab diesem Moment erfuhr ich über Nordtürkei einiges.
Wenn du Lokales, vor allem den Telefonanbieter, wählst, heisst das nicht immer, dass es funktioniert. Nach drei Tagen Funkstille und vielen gegen den Himmel geworfenen Händen der Einheimischen wechselten wir zu Vodafon. So können wir endlich etwas zum Essen bestellen, denn auf dieser Strecke, entlang der Küste, wird nur Türkisch gesprochen. Das Personal bemüht sich und spricht langsamer, aber ja, immer noch in der Heimatsprache. Nach unzähligen Versuchen, auch die Fotos in der Menükarte zu entschlüsseln, nehmen wir den Onkel Google zur Hand. Über die Qualität der Übersetzung staunten wir nicht schlecht. 😊 Tatsächlich bekamen wir in einem Luxusrestaurant einen Pide kiremit malzemeli offeriert. Gerold wagte es! Wer hat schon mal ein «Fladenbrot mit Fliesenmaterial» gegessen?! Es war lecker und duftend. Eine besondere Note an Duft haben beim Betreten des Restaurants auch unsere Hände bekommen. Als Willkommensgruss leert uns das Personal das Cologne Wasser mit Feigenaroma über die Finger. Sauber sollten die Teller vor uns auch bleiben. Sobald ich einen Teil des Menüs gegessen hatte – husch – stand schon wieder ein sauberer Teller vor mir.
(Apropos Übersetzen mit Google:
Auf den dritten Türen der WCs stand neben Bay und Bayan noch Engelli. Es ging mir nicht in den Kopf, warum sollten die alle, so angeschriebene Kabinen "Ausser Betrieb" sein. Mit Schaudern habe ich später begriffen...😏)
Wir haben auch die Tee- und Kaffee-Rituale nach dem Essen liebgewonnen.
So hat die neue «Minikanne» auch ihren Platz im Schrank gefunden.
Lustig nur, dass die «Ramona» Gerolds Liebling Tasse mit ihren 2.5 dl für das «Nichts» zu schlürfen nicht optimal geeignet ist
So müssen die Shotbecher antraben. Wir sind flexibel und passen uns an. Das wisst ihr schon.
Unser Wäscheritual haben wir der Tatsache angepasst, dass es auf keinem der wenigen Campingplätze hier im Norden eine Waschmaschine hat. Warmes Wasser ebenso wenig. So steuern wir die unzähligen im Voraus angeschrieben Wasserquellen an oder nutzen die Vieheinrichtungen, wie etwa den Trog zum Spülen usw. Geht doch.
In meiner Wahrnehmung – aber es muss nicht überall so sein – sind die Themen Familie, Freundschaft und Gemeinsamkeit hochgeschrieben. Auf der ganzen Reise, Schweiz und Deutschland inklusive, ist mir etwas nicht begegnet, was hier so heraussticht. In jedem Park und Hein, auf jeder Raststätte, am Strand etc. sind Sitzmöglichkeiten aufgestellt. Runde Tische mit Bänken, Grillstellen, Pavillons und mit Tüchern überschattete Wiesen. Es ist herrlich zuzusehen, wie sich die Leute treffen, um gemeinsam zu kochen und zu essen. Kein Schild «Rasen nicht betreten!» ist sichtbar. Wie schön. Dazu kommt diese Spaziergänger-Jogger-Strecke mit dem weichen Belag. Unzählige Kilometer lang. Die Gross- und Kleinstädter schauen zu ihrem Volk.
Dass es in der Nordtürkei an Sehenswürdigkeiten nicht mangelt, haben wir in unserem Reiseführer und von den Einheimischen auf verschiedenste Arten der Kommunikation erfahren. Einen Strich durch die Planung hat uns die starke Überschwemmung gemacht. So sind wir an einem Tag in das Landesinnere aufgebrochen, um dieses Gebiet am Meer weiträumig zu umfahren. Nach der Fahrt über die Berge und die erstaunlich hochmoderne Schnellstrasse mit 3 Spuren sind wir nach 600 km und der Höhendifferenz 1926 m wieder am Meer gewesen.
Leider war genau der Abschnitt, den wir besuchen wollten, nicht zugänglich. Die Sehenswürdigkeiten werden wir später anschauen, den besonderen Fisch und die Bohnen, nach denen man nicht pupsen muss, werden wir auch noch essen. Die Reise ging weiter über das «Aschenbrödel-Land». Noch nie habe ich so viele Haselnüsse gesehen. Tonnenweise lagen sie auf dem Strassenrand, auf den Hausterrassen, im Park, einfach überall. In den drei wichtigsten Wochen des Jahres werden sie im August von den Bäumen geholt, sortiert, getrocknet, maschinell vom Grünen geschält, ausgebreitet, getrocknet – ein riesiger Aufwand. Die Aufpasser/-innen, meistens im Pensionsalter, kümmern sich um die für Ragusa, Bündner Torte, Nutella wichtigen Kerne. Ich war sehr überrascht, als ich in den Regalen viele Nutella-Sorten gesehen habe. Die einheimische Nuss-Kakao-Creme musste ich erst suchen. Schade.
Allgemein sind hier in der Türkei viele westliche Produkte zu sehen. Die Einkaufszentren gleichen unseren, sogar Migros gibt es. Meine Spionage zeigte nicht viel Sortimentsunterschied. Einfach das Grün/Orange war nicht vertreten.
Die Bevölkerung scheint mir sehr unterschiedlich zu sein. Von traditionell angekleideten Frauen in der Stadt oder in Burkini am Strand bis zu jungen Mädchen in kurzen Hosen und mit Stöpseln in den Ohren – alles vorhanden, kompatibel.
Es hat uns gefallen, hier in der Nordtürkei, wo die Strände nicht komplett überbaut werden, so dass man sich zu einem Fischer setzen kann, um zuzuschauen. Das Meer ist hier mehrheitlich sauber. Klar sind wir auch auf schrecklich vermüllte Orte gestossen. Leider ist es ein Bild unserer
«Zivilisation». Wie Gerold in seinem Beitrag beschrieben hat, werden auch hier oft Abfallberge dort platziert, wo jemand bezweckt, das Volk zu vertreiben, die Gegend uninteressant zu machen, um das Land günstiger zu kaufen, um eigenen Profit zu erreichen. (dies die Aussage eines Einheimischen). Die Natur im Landesinneren ist rein, weit. Unendliche Flächen an Feldern mit
Reis, Kichererbsen etc. Ich habe meine Wanderlust nur mit Mühe zurückhalten können.
Am letzten Tag, als wir gezwungenermassen gewartet haben, durfte ich ein paar Meter laufen, mit den Kühen, Grillen und Vögeln die herrliche Gegend geniessen und unterwegs sogar Feigen pflücken. Die Nordtürkei hat uns gefallen. Nur war das nicht der Grund, warum wir wieder von der georgischen Grenze zurück in die Türkei fuhren. Diese Episode war schräg.
Probieren über studieren. Es regnet in Strömen. Wir beide irgendwie genervt, steuern den Zoll an. Impfzertifikate parat. Auf dem Gelände Chaos: LKW raus, anderer rein. Lieferwagen hierher! Nein, doch nicht! Hierher!... Fahrzeugkontrolle, Passkontrolle, Gesicht scannen, Fahrzeugpapiere
erklären. Mobiliar im grünen Zettel ist nicht das gleiche wie im Fahrzeugausweis stehende Schweizerische Mobiliar. Und weitere Fragen. Irgendwie haben wir es geschafft und sehen die georgische Schrift vor den Augen.
PCR-Test?! Auch lieb ausgesprochen ist das niederschmetternd. Umkehren und wieder in die Türkei einreisen. Test machen. Fahrzeugkontrolle, Passkontrolle, Gesicht scannen, Mobiliar – Schweizerische Mobiliar erklären, eine Arztkontrolle im Nebengebäude passieren. Impfzertifikat und Pass zeigen, danach haben wir von dem Arzt ein «Garderoben-Zettelchen» bekommen, auf dem steht, dass wir clean sind. Nach zwei weiteren Posten waren wir wieder auf türkischem Boden. 1 Stunde 44 Minuten brauchten wir für das unnötige Übel.
Die Nacht auf dem Restaurantparkplatz war kurz. Das Reisebüro, in welches uns das Spitalpersonal geschickt hat, war sehr mysteriös. Eine Dame und ein Herr unbekannten Namens und Funktion empfangen uns, das Geld – Bakschisch inklusive – einsteckend. Nase und Mundhöhle «bestäubt», raus hier! «Um 15 Uhr ist Ihr Zettel bei der Turkish Airlines abzuholen.» Wir fuhren in die Berge. Später gesellten wir uns zu weiteren Wartenden vor dem Büro. Wie in einem Kriegsfilm, auf das Boulevardblatt wartend. So sah es aus. Der wichtige Herr ruft die Namen der Anwesenden laut in die Menge aus. Bald bekamen Regina und Gerold ihre negativen Zertifikate in die Hände gedrückt. So schnellten wir in den Hâusi und positiv gelaunt über die klar negativen Resultate haben wir nach 41 weiteren Minuten unser Land der Träume erreicht.
Und was ist mit dem Fisch und den Kiemen? Der Sohn des Fischers hat aus einem Fischkopf zwei 5 mm grosse Steinchen herausrausgeholt. Ich solle sie in Zitronensaft einlegen und wenn sie sich aufgelöst haben mit Wasser vermischen und bei Schmerzen trinken. Heute ist es so weit. Das Wetter schlägt um, meine Gelenke, Rücken und Kopf machen sich bemerkbar. Also Prost! Wenn es still um mich sein sollte, dann war es der falsche Fisch.
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