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AutorenbildGerold Schlegel

Reisen - Gerold

Donaudelta – Unangepasstes, wildes Natur- und Menschenwunder

Über Rumänien hören wir viel Negatives zum Land, den Menschen und zum Donaudelta. Speziell zum Delta fielen Aussagen wie: Da werden Touristen ausgenommen. Steinzeit Unterkunft. Sanitäre Anlagen ein rares Gut etc. Immer wieder erstaunlich wie Menschen blitzschnell viele negative Aspekte zu einer Sache zur Hand haben. Jedoch ein Defizit an positiven Ansichten aufweisen. Was wir erlebten und lernten folgt unten und erlaubt dem Leser selber zu entscheiden, ob er dahin reisen möchte, solange das Donaudelta noch in seiner Ursprünglichkeit besteht.

Wie bei vielen anderen Gelegenheiten wollten wir es auch diesmal selbst herausfinden. Über den Kontakt Catalin Muresan (www.siebenburgenreisen.com – Für Reisende die den deutschsprechenden Teil Rumäniens „Siebenbürgen“ in seinen Ursprüngen kennenlernen wollen: Geschichte, Menschen, Kultur, Kunst, Handwerk) wurden wir an Iliuta Goean (www.discoverdanubadelta.com– Veranstalter von Exkursionen von Fischen, Foto, Vögel Beobachtungen, Natur etc.) verwiesen. Der erste Kontakt war verblüffend bei beiden Menschen. Wir hatten bei Hâusi mit dem Zahnriemen Schwierigkeiten. Unisono war der Ton: Service ist kostenpflichtig – Hilfe kann nicht verrechnet werden. So kam es das wir vor dem Besuch im Donaudelta in eine Garage in Tulcea gelotst wurden, die als Ortsunkundiger schlicht unauffindbar wäre. Der Bring Service zum Hafen selbstverständlich. Das wurde alles innert Kürze organisiert und erst noch zu Einheimischen Preisen.

Vier Tage (3 Tage Besichtigung, 1 Tag An-/Rückreise) Donaudelta mit Unterkunft, Ausflüge, Guide, eigenes Boot und Vollpension EURO 850 pro Person. Zu Beginn waren wir unsicher ob wir das machen sollten. Jetzt nach dem Besuch und dem Erleben des Donaudeltas finden wir den Preis mehr als gerechtfertigt.

Als leidenschaftlicher Afrikareisender sind mir die Schwierigkeiten bekannt die es mit sich bringt irgendwo in der Pampa fernab von Infrastruktur Unterkünfte und Verpflegung sicherzustellen. Egal welches Naturreservat besucht wird, alles muss eingeflogen, mühsam über die Buckelpisten oder wie hier im Delta per Boot transportiert werden. Der anfallende Müll eine andere logistische Herausfor­derung „richtig“ zu entsorgen. Wenn etwas repariert werden muss sind handwerkliche Fähigkeiten gefragt. Da ist kein Servicemonteur in nützlicher Frist erreichbar. Vieles was wir uns gewohnt sind und selbstverständlich ist, wird hier zur Herausforderung inkl. medizinische Notfälle. Entsprechend geschickt und genügsam sind Delta Bewohner.


Das Donaudelta, deren Bewohner und unser Reiseveranstalter – so wie wir es erlebt haben – heben sich wohltuend ab, von Safaris in Afrika. Die Einheimischen werden eingebunden und ihre Fähigkeiten genutzt. So ist eine sehr ursprüngliche Küche und Unterbringung garantiert. Für Wünsche von Allergiker, Veganer etc. kann hier allerdings nicht eingegangen werden. Zu archaisch sind die Gerichte und deren Zubereitung. Die Unterkünfte sind einfach und zweckmässig. Selbstverständlich gibt es die Massenabfertigung für jene die einen Tag ins Delta fahren und das auf ihrer Liste der „Sehenswürdigkeiten“ abhacken. Doch die verpassen, alles was das Delta ausmacht. Wer sich morgens um 5:00 Uhr aufmachen kann, kommt an entlegene Abschnitte, Seen und Kanäle heran. Gleichzeitig bleibt so Zeit für spontane Begegnungen mit Fischern und Einheimischen. Für Tierbeobachtungen braucht es Geduld und noch mehr Zeit. Die reservierte Zeit für unseren Besuch erweist sich im Nachhinein als perfekt, um eine kleine Ahnung zu erhalten. Wir betrachten die vier Tage als absolutes Minimum. Übrigens, die beste Reisezeit ist im Winter, wenn die Bäume kahl sind. Keine Touristen und unglaublich viele Vögel und speziell die Rothalsgänse, die nur zu dieser Zeit zu sehen sind.

Unser Tourguide ist ein Reiseführer wie ich es selten erlebt habe. Da können sich viele Guides und Organisationen eine Scheibe abschneiden. Safaris in Afrika sind irgendwie wie zwei Welten. Der Luxus oder Komfort Europas kombiniert mit Natur, wilden Tieren und dem Interessenskonflikt der Naturvölker, wie Himbas in Namibia oder Massai in Kenia und Tansania, ist dagegen irgendwie surreal. Die langjährige Erfahrung und der Einfluss auf die Bewohner und die Natur von Tourismus sind in Afrika offensichtlich. Wer z.B. im Ngorongoro Nationalpark seinen Pausenhalt beim offiziellen Picknickplatz macht, muss aufpassen, dass ihm die Vögel den Lunch nicht klauen. Ernsthaft die Vögel sind derart unverschämt, dass sie sprichwörtlich Angriffe auf die belegten Brote fliegen. Alles Auswirkungen von falsch verstandenem Verhalten, entstanden durch das Anfüttern der wilden Tiere.

Im Donaudelta haben wir das nur an einem Ort gesehen wo sich drei Pelikane so zusagen als „Hauspelikane“ domiziliert haben. Sie stellen jedem Touristen ein Pelikanbild sicher. Kein Wunder, wenn sie täglich ihre Ration Fisch kriegen. Sie kommen so einfacher und viel bequemer zu ihrem Futter. Als Tagestourist kriege ich nicht mit wie scheu und vorsichtig die Pelikane sind. Wir kamen in den meisten Fällen höchstens 50-80 Meter in deren Nähe. Ausser, wenn sie zu Dritt oder Viert im Morgengrauen vor Sonnenaufgang im Verbund beim Fischer, die Fische aus dem Netz klauen. Das war übrigens das beste Foto zum Sonnenaufgang, das mir gelungen ist. Dieser Vorgang ist mir häufig aufgefallen. Doch das ist alles kein Wunder, ihre Erfolgsquote beim Fischen beträgt lediglich ca. 20% und sie benötigen im Durchschnitt rund 1.2 Kilo Fisch pro Tag, was rund 10% ihres eigenen Körgewichtes entspricht. Da stecken viel Fleiss und Arbeit dahinter. Das Verhalten kann ich genauso auf mich als Mensch übertragen. Was sind wohl die Auswirkungen, wenn Eltern ihren Kindern alle Probleme aus dem Weg räumen, sie behüten und verwöhnen? Erstaunlich, was die Natur mich alles lernt.

Bevor ich es vergesse, es gibt zwei Arten von Pelikanen die im Delta zu sehen sind: Rosapelikan (ca. 18‘500 Stück) und Krauskopfpelikan (ca. 650 Stück). Wir konnten beide Arten mehrfach bewundern. Den Krauskopfpelikan hingegen meistens frühmorgens an abgelegenen Plätzen die für die meisten Touristen unerreichbar sind bei Tagesausflügen.

Unser Guide hat sehr detaillierte Ortskenntnisse und die Sichtweise des Fotografen, egal welcher Standort oder Technik zur Bildaufnahme verwendet wurde. Kein Wunder, hat ihn die BBC angefragt, wann er drei Wochen Zeit hätte, um sie bei Filmaufnahmen zu unterstützen. Sein Wissen und seine Kenntnisse sind gerade bei Luftaufnahmen unbezahlbar und für mich als Fotograf eine unglaubliche Vereinfachung, um einmalige Aufnahmen zu erhalten. Stelle mir gerade vor wie oft und lange jemand seine Drohne fliegen lassen muss, um das gleiche zu erreichen.

Iliuta konnte die Bedürfnisse und Voraussetzungen eines Fotografen oder Filmers von wegen Lichtverhältnisse und Drama bestens nachvollziehen. Entsprechend führte er uns an Orte, wo eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, das Erleben zu können, was wir mit Bild, festhalten wollten. Er wählt die Routen und Touren mit den Augen eines Fotografen aus und berücksichtigt potentielle Knotenpunkte von Sonnenstand, Verhalten der Vögel, Naturschönheiten, Menschenansammlungen, Wetter, Wasseroberfläche etc.

Das führte an einem Tag zu einem Mammutprogramm. Wir wollten in den äussersten Zipfel des Donaudeltas wo die Ukraine angrenzt am Schwarzen Meer und am Morgen ein weiteres Mal den Sonnenaufgang miterleben. So begann der Tag bereits um 4:30 Uhr und die Tour endete erst um 19:30 Uhr, kurz vor dem Abendessen. Als Unternehmer ist diese Arbeitszeit schon fast selbstverständlich auch in der Schweiz. Was würde das für ein Aufstand geben unter Angestellten oder mit der Gewerkschaft? Doch genau diese Serviceorientierung am Kunden ermöglichte unglaubliche Erlebnisse. Danke von ganzem Herzen.

In Ungarn in der Puszta hatten wir die deutsche Outdoor Family Fleck kennengelernt. Wir haben uns zwei Tage vor dem Deltabesuch bei den Schlammvulkanen in Rumänien zufällig wieder getroffen und herausgefunden, dass wir zur gleichen Zeit im Donaudelta sind. Michael Fleck ist zusammen mit seiner Ehefrau Angela auf einfachste Weise unterwegs. Dagegen ist unsere Lösung mit Hâusi schon sehr komfortabel. Renault Espace, 5 Getränkekisten und eine Holzplatte reichen dazu. Matte und Schlafsack auf die Holzplatte und darunter alles in Taschen oder Kisten. Da hat die gesamte Fotoausrüstung, die Drohne, Kleider, Schuhe, Kochutensilien, Futterbox und Küche Platz. Von wegen das kann ich mir nicht leisten. Er veranstaltet grosse Shows, wo er den Besuchern mit einer 9 Meter Leinwand und einer Mischung von Bild, Film und Unterhaltung seine Reiseabenteuer vermittelt. Der Fotograf der das Abenteuer in der Natur sucht und damit eine 4-köpfige Familie in den letzten 20 Jahren finanziert hat. Respekt. Und wir mitten drin. Seine Arbeitszeit, wenn er auf Tour geht mit seiner Show, ähnlich lang wie die von Iliuta. Doch diese Aspekte werden oft verkannt und unterschätzt von Aussenstehenden.

Zurück zum Donaudelta und den Schattenseiten das offiziell – gemäss Statistik des Staates – von 3‘000 Besucher im Jahr bereist wird. Die Schätzungen unseres Tourguides lagen eher bei 100‘000 Personen. Viele Anbieter operieren Schwarz d.h. ohne Bewilligung oder staatliche Abgaben. Beim Fischen ein ähnliches Bild. Jeder Fischer müsste eine Lizenz haben und die gelbe Plakette mit Nummer an der Reuse befestigen. Wir sahen einige Reusen ohne diese Nummer. Da die Nummern am Anfang oder Ende einer Reuse fest zu machen sind, ist das einfach zu überprüfen. Die Konstruktionen der Reusen waren für mich neu und ungewohnt. Die Effizienz hingegen kaum zu toppen. Je unscheinbarer festgemacht (Stöcke), umso eher fehlte die Marke. Dazu kommt, dass das Donaudelta überfischt wird und grosse Teile des Fanges aus dem Delta geschifft werden. Die Anzahl der Hobbyfischer kommt dazu. Iliuta meint dazu: Das Beste wäre den Fischfang im Delta zu behalten und ausschliesslich da zu verwerten, um den Fischbestand wieder auszugleichen. So würden im Gegenzug über die Fischvielfalt noch mehr Vögel angezogen. Beim Kreuzen der Schiffe auf den viel befahrenen Kanälen sind die Sünder sofort erkennbar, sie fahren auf der falschen Seite in oder aus dem Delta. Wir sprechen hier von Booten, die gefüllt sind mit Touristen. Aus Sicherheitsgründen dürften Passagiere nicht auf dem Bug Platz nehmen und trotzdem sahen wir viele. Wen kümmerts? Wer mit seinem eigenen Schiff ins Delta rein will, kann für Euro 20 eine Jahreslizenz erwerben. Anker werfen ist – nach wie vor – an den meisten Orten möglich. So kommt es, dass Rumänen ihre Schiffe im Delta fast Gratis zwischenlagern oder Woche für Woche reinfahren zum Fischen. Daher geht hin und schaut euch das an, solange der Schaden noch klein ist. Der Schutz der Natur wird gross geschrieben, doch wer dagegen verstösst kann das meistens ohne Konsequenzen tun.

Dort wo wir gegessen haben, wurde das Essen alles auf dem Feuer in einfachster Weise zubereitet und auf Porzellan serviert. Plastikteller sind keine Option, obwohl sie über keine Abwaschmaschine verfügen. In der Küche, die mehr Bretterverschlag und Unterstand war, standen 4 grosse Tische mitten im Raum, beim Eingang rechts 4 Feuerstellen und 3 weitere Tische links an der Wand und Einer an der Stirnseite. Meine Schätzung lag zwischen 100 und 150 Personen, die verpflegt wurden. Wir sollten um 15:00 Uhr essen und kamen erst um 16:15 Uhr. Das Essen trotzdem hervorragend. In keinster Weise verkocht oder aufgewärmt bis zu einer undefinierbaren Farbe und Brei. Eine Meisterleistung mit dieser Infrastruktur und die Chefin wie ihre Mitarbeiter am Lachen. Alles was zählte, war uns zu verköstigen und zufriedenzustellen.

Was haben wir denn gegessen? Als Vorspeise gab es eine Fischsuppe mit Gemüse und der darin gekochte Fisch separat auf einer riesigen Platte Wels, Karpfen mit Kartoffeln. Alles in grossen Stücken inkl. Kopf. Dazu die weisse Knoblauchpaste, die an Mayonnaise erinnerte, hingegen in Konsistenz, Textur und Geschmack ein komplett anderes Erlebnis. Als alle schon mehr oder weniger satt waren, kamen weitere Fischplatten mit frittiertem Wels und Polenta. Die Knoblauchpaste wurde aufgefüllt. Ja die Sauce war begehrt, egal in welcher Kombination: Suppe, Fisch, Polenta oder Kartoffeln. Galaktisches Esserlebnis.

Das Knoblauchrezept werde ich selbst ausprobieren, sobald ich die Möglichkeiten habe. Das Rezept so einfach wie genial. Viel, sehr viel und noch mehr Knoblauch pürieren, wenig Essig, Salz und Pfeffer dazu mischen. Erst danach das Oliven-, Raps-, oder Sonnenblumenöl dazu geben. Am Vortag je nach Menge etwas Wasser mit Maizena oder Kartoffelstärke abbinden, bis es der Konsistenz einer dicken französischen Salatsauce entspricht. Diese Masse muss kalt sein, wenn sie beigemischt wird. Wobei gestern haben wir eine ähnliche Knoblauchsauce zum gegrillten Fisch erhalten, hingegen sehr dünn in der Konsistenz. Da wurde nur Wasser der Paste beigemischt und sie war sogar schärfer als die dazu gereichte Chillisauce. Die Knoblauchpaste die wir in der Schweiz mit Mayonnaise, Joghurt oder Quark herstellen ist für Beckenrandschwimmer und Schattenparkierer. Die Donaudelta Version dagegen galaktisch schmackhafter, gesünder und dazu viel preiswerter. Diese Technik lässt sich auf viel mehr anwenden, wenn ich an die fixfertigen Saucen und Aromen denke die gekauft werden für das Fondue Chinois etc.

Wir kamen zu spät zum Essen, da uns die Wildpferde aufhielten. Genau im Donaudelta sind Wildpferde unterwegs und diese in der freien Wildbahn zu erleben ein besonderes Erlebnis. Dazu hat Michael noch Filmaufnahmen mit der Drohne gemacht. Erstaunlich was es alles zu sehen gibt, wenn Zeit vorhanden ist. Zwei Hengste habe sich um eine Stute gezankt. Das eine vorlaute Fohlen wurde von der Mutter zurechtge­wiesen. Zu Beginn haben die Pferde uns alle den Hintern gezeigt. Dafür umso mehr belohnt als wir mehr als 45 Minuten geduldig warteten. Wie sie sich – aus irgendeinem Grunde – galoppierend aus dem Staube gemacht haben war ein sensationelles Erlebnis. So Momente entschädigen für die Geduld und das Ausharren in der Hitze und prallen Sonne.

Die Gegend wo sich die Wildpferde aufhalten grenzt an ein Naturphänomen sondergleichen. Da gibt es Pflanzen, die Salz als Nahrung benötigen um zu wachsen und das kriegen sie vom Wüstensand. Sie sind verantwortlich das der Wind das Gebiet nicht komplett zur Wüste, macht indem sie mit ihrem Dasein (Wurzeln), den Sand zusammenhalten. Zwischen Waldstreifen sind Streifen von Sandwüste. Der Wald besteht mehrheitlich aus Eichen mit Tellerwurzeln und deren Äste sind teilweise wie Korkenzieher verdreht vom Wind. Eichen haben normalerweise Wurzeln die tief in den Boden reichen. Das Alter wurde wissenschaftlich mit Proben auf ca. 400 bis 450 Jahre festgelegt. Als wir mit dem Safariwagen über das Feld holperten, kam uns ein Traktor mit mehr als 15 grossen runden Heuballen entgegen, die auf zwei Anhänger verteilt waren. Der Traktor war kaum zu erkennen vor lauter Heutürmen. Das wollten wir uns genauer anschauen und warteten bis das der Traktor an uns vorbeifahren konnte. Der stoppt, der Fahrer springt ab und uns ca. 100 Meter entgegen. Was ist jetzt los? Der Bauer meinte wir hätten eine Panne und wollte helfen. Würde mich nicht überraschen, wenn er uns als dritter Anhänger mitgenommen hätte.

Auf der Fahrt zu diesem magischen Ort machten wir bei einem Platzregen in einem Fischercamp halt. Die Einrichtung einfach wie genial. Es gibt zwei Methoden in Rumänien Häuser mit Schilf zu decken die deutsche und russische Art. Hier war die russische Art zu sehen mit langen Schilfrohren. Das Donaudelta ist übrigens weltweit der grösste Produzent von Schilf. Das Fischerhaus hatte einen speziellen Ofen. Die Feuerstelle sehr tief, darauf wurden z. B. die gefangenen Scampi gleich in grossen Mengen gekocht. Das konnten wir am Abend gleich fangfrisch probieren, als wir den Fischern etwas Bier und den Rest der Donaudelta Berliner mitbrachten. Die Gaben waren das Honorar für unseren Besuch – kein Geld. Zurück zum eingebauten Ofen. Der Rauch wurde mehrfach umgeleitet, bevor er im Ofenrohr nach draussen ging. Auf dem erhöhten Teil des Ofens lagen zwei Holzpaletten. Darauf schläft der Fischer im Winter. Sozusagen beheiztes Bett. Jetzt war es mehr ein weiterer Ort um tagtägliche Dinge zwischenzulagern. Dazu ein Gestell, wo oben die Ausrüstung und Kleidung lagerte und unten am kühlsten Ort geschlafen wurde. Dazu ein Herd mit Gas und ein Konverter der den Strom selbst produzierten Strom umwandelte. Der Tisch, das Küchenbuffet und die beiden Stühle die weiteren Einrichtungsmöbel. Bei der Haustüre wurden die Seitenwände als Platzhalter für Werkzeug wie Besen, Säge, Beil, Hammer, Schläuche etc. benutzt.

Der Besuch bei einem Fischerehepaar zu Hause das zweigeteilt war – ein aussergewöhnliches Erlebnis. Ein Arbeitsort draussen der regelmässig von der Donau überschwemmt wird. Deshalb wenig bis keine teuren Gegenstände, ausser den Fischreusen und Hühnern zu sehen. Aus dem Radio plärrte beste 60er Jahre Musik, während er uns Rede und Antwort stand. Vis a Vis im Wohnhaus wirkt der Garten wie ein Dschungel. Die Wege zwischen der dichten Bepflanzung sind kaum zu erkennen. Kein Wunder, das ist das gesamte Gemüse das sie das ganze Jahr essen. Die Hühner liefern Eier und Fleisch. Dazu gibt es viel Fisch der selbst gefangen wird. Die Ehefrau spricht nach wie vor kein rumänisch da das die Sprache der Sinti d.h. Roma ist (Ansichten und Einstellungen der Einheimischen sind öfters wenig politisch korrekt, denn sie verwendete das Unwort Zigeuner. Der Sprachwiderstand wird über das Leiden der Lipowaner verständlicher). Für uns ein Glück, denn Regina kann ihre Russischkenntnisse erstmals auf der Reise anwenden. Die beiden sind Lipowaner. Das sind altgläubige, orthodoxe Christen aus Russland. Die Lipowaner sind eine Minderheit die im siebzehnten Jahrhundert verfolgt wurde und das Donaudelta als erste besiedelt haben. Lipowaner sind heute noch in Rumänien, Ukraine und Moldawien anzutreffen. Das Paar ist 48 Jahre verheiratet und der Mann mindestens einmal um die Welt gerudert. Sein Oberkörper macht jeden Fitnessverrückten neidisch und das mit über 70 Jahren. Ein Kraftpacket sondergleichen. Alle seine drei Kinder konnten studieren. Eines ist in den USA und die beiden anderen Kinder wohnen neben an. Die Zwei kamen zurück, da ihnen das Donaudelta und die Lebensart fehlte und das obwohl auf vieles verzichtet wird. Für uns heute nach dem Blick hinter die Kulissen verständlich. Sein Zitat bringt es auf den Punkt. Das gab er zum Besten als er erfuhr was wir Vorhaben in Georgien: „Menschen suchen schöne Plätze und Fische das tiefe Wasser“.

Ihr ahnt es. Bisher sind wenig neue Einsichten und Rezepte der Küche im Delta zur Sprache gekommen. Hier einige meiner Favoriten die ich ausprobieren will. Wissen das ich besitze hingegen bisher derart konsequent eingesetzt nie gesehen habe, in der Fischküche. Kein Wunder, wenn du drei Mal im Tag Fisch isst. Alles was es dazu braucht Salz, Pfeffer, Öl, Tomaten, Peperoni, Zucchetti, Zwiebeln, Knoblauch, Kartoffeln, Kräuter, Mehl, Kartoffelstärke und das alles ohne Spirituosen und gebrautes Wasser. Bisher noch nie eine derart konsequente und archaische Fischküche genossen. Ich halte mich kurz, denn es würde die Grösse des Blogs sprengen. Ausprobieren:

· Grosse Stücke von fettigem Fisch wie z.B. Karpfen zuerst frittieren – entzieht das Wasser. Danach in einer selbstgemachten Tomatensauce im Ofen ca. 1h nachgaren. Der Entzug des Wassers führt dazu, dass das Aroma der Sauce vom Fisch quasi aufgesogen d.h. übertragen wird – der Knaller

· Fischwurst – den Fisch zuerst in den Rauch hängen oder indirekt ohne zu garen – Kalt räuchern. Danach den Fisch klein schneiden, mit gekochten Kartoffeln – ist das Bindemittel – Gemüse, Salz, Pfeffer und wenig Öl mischen. Diese Masse in Häute abfüllen quasi wie eine Bratwurstspirale

· Gesalzener und luftgetrockneter Fisch dem ungesalzenen Wasser der Salzkartoffeln beigeben ca. nach der Hälfte der Kochzeit. Die Kartoffeln mittlerer Grösse ungeschnitten mitkochen. Die Kartoffeln und das Wasser entziehen dem getrockneten Fisch zu grossen Teilen das Salz

o Portugiesischer oder nordischer Stockfisch würde ich trotzdem Wässern oder von Beginn weg kochen und später die Kartoffeln dazugeben

· Filetierten Fisch zuerst salzen und an der Sonne antrocknen (Backofen max. 40-50 Grad ca. 4-8h). Den noch halbrohen Fisch nun kalt räuchern. Also der Rauch darf max. 40-50 Grad heiss sein, damit das Eiweiss nicht gerinnt. Kaltstellen

· Mit grober vorgekochter Polenta – es geht auch ein übriggebliebener Rest Polenta ohne Käse – mit püriertem Fisch (2-3 Sorten), klein gehacktem Gemüse, Eier und Gewürzen eine Masse herstellen. Diese danach in grober und roher Polenta wenden (panieren). Im Öl frittieren und servieren

· Fischeier (Forellen, Zander…) mit wenig gekochten Kartoffeln zerdrücken und mischen. Etwas Knoblauchsauce dazu. Fertig. Zum Frühstück als Brotaufstrich – Genuss pur

Vögel konnte und wollte ich wenige fotografieren. Meine Ausrüstung dazu ist schlicht ungeeignet. Umso mehr habe ich Ausschnitte des Deltas fotografiert um einen Eindruck zu bekommen. Dazu kommen Brot klauende Hühner, schwimmende Kühe, Wasserlilien, Grasteppiche die die Aufgabe haben das Wasser zu reinigen, von Wildreben zugewachsene riesige Bäume und Wälder. Weiss nicht wo ich weitermachen will bei über 30 verschiedenen Ökosystemen im Delta. Macht euch selbst ein Bild. Das Donaudelta und Rumänien im Speziellen sind mehr als eine Reise wert. Die Menschen und die vielfältigen Naturschätze verkannt und verdreht eingeordnet. Die Wirklichkeit ist eine andere als es die Medien und Vorurteile wie eine Fata Morgana vorgaukeln. Dazu sehr Preiswert, wenn Städte gemieden werden. In Städten und Touristenhochburgen gelten öfters fast Schweizer Preise. Wer das beachtet hat viel weniger zu tun mit den Spitzbuben von Betrug und Diebstahl.


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